20379#Klagelieder,1,1#1. «WIE weilt so einsam die Stadt / die reich an Volk! / Ist worden wie die Witwe / die groß war bei den Völkern / die Fürstin bei den Ländern / verfallen der Fron.
20380#Klagelieder,1,2#2. Sie weinet, weint des Nachts / die Träne auf der Wange / hat keinen, der tröstet / von all ihren Liebsten. / All ihre Freunde waren treulos / sind Feinde ihr worden.
20381#Klagelieder,1,3#3. Fort ist Jehuda / vor Elend und schwerer Fron / weilt es bei den Völkern / fand keine Ruhstatt. / Alldie es jagten, ereiltens / im Gezwänge.
20382#Klagelieder,1,4#4. Die Wege Zijons trauern / da keiner zum Fest kommt. / All ihre Tore verödet / die Priester ächzend / die Jungfraun vergrämt / und ihr - ists bitter.
20383#Klagelieder,1,5#5. Es waren ihre Dränger hochauf / ihre Feinde getrost; / denn der Ewige hat sie betrübt / ob der Fülle ihrer Sünden. / Ihre Kindlein zogen gefangen / vor dem Bedränger.
20384#Klagelieder,1,6#6. So schwand von Zijons Tochter / all ihre Pracht / es waren ihre Obern wie Hirsche / die Weide nicht finden / sie zogen kraftlos / vor dem Verfolger.
20385#Klagelieder,1,7#7. Es gedachte Jeruschalaim / zur Zeit ihres Elends und Jammers / all ihrer Köstlichkeiten, die gewesen / seit Urzeittagen. / Da fiel ihr Volk in Feindeshand / und keiner half ihr / zusahen die Dränger und lachten / ob ihrer Vernichtung!
20386#Klagelieder,1,8#8. Versündigt hatte sich Jeruschalaim / ist drum zum Abscheu worden. / Alldie sie geehrt, verachten sie / weil ihre Blöße sie sahen. / Und sie auch stöhnt / und kehrt sich ab.
20387#Klagelieder,1,9#9. Ihr Schmutz an ihrer Schleppe! / Sie dacht nicht ihrer Zukunft / so sank sie unfaßbar / hat keinen Tröster. / ,Sieh, Ewger, mein Elend / da der Feind beschimpft.'
20388#Klagelieder,1,10#10. Seine Hand legt der Feind / auf all ihre Schätze / denn Völker sah sie / in ihr Heiligtum dringen / wo du geboten, daß sie nie / zur Volksschar dir kommen.
20389#Klagelieder,1,11#11. All ihr Volk, es ächzt / sie betteln um Brot / sie gaben ihre Schätze für Speise / die Seele zu halten. / Schau, Ewger, und sieh / daß ich erniedrigt!
20390#Klagelieder,1,12#12. Ists zu euch nicht gedrungen / all ihr Wandrer der Straße? / Schaut aus und seht! / Gibts Schmerz wie den meinen / der mir ward getan / da der Ewge mich kränkte / am Tag seiner Zornglut?
20391#Klagelieder,1,13#13. Hochher warf er den Brand in mein Gebein / und läßt ihn wüten / er legt' ein Netz für meine Füße / trieb mich zurück / er macht' mich starr / allezeit wund.
20392#Klagelieder,1,14#14. Geknüpft ist meiner Frevel Joch / von seiner Hand. / Verflochten legt es sich auf meinen Nacken / lähmt meine Kraft. / Preisgab der Herr mich Händen / draus ich nicht aufkann.
20393#Klagelieder,1,15#15. Verworfen hat all meine Führer / der Herr in meiner Mitte. / Hat wider mich zum Fest geladen / zu brechen meine Jünglinge. / Die Kelter hat der Herr getreten / der Maid, Tochter Jehudas.
20394#Klagelieder,1,16#16. Darüber wein ich / mein Aug, mein Auge fließt in Tränen / weil fern mir ein Tröster / der die Seele mir hielte / verstarrt sind meine Kinder / da gesiegt der Feind.
20395#Klagelieder,1,17#17. Es breitet Zijon die Hände / hat keinen Tröster. / Aufbot der Ewge wider Jaakob / ringsum seine Dränger. / Geworden ist Jeruschalaim / ein Abscheu bei ihnen.
20396#Klagelieder,1,18#18. ,Gerecht ist der Ewge / da seinem Mund ich trotzte. / O hört es, Völker alle / und seht meinen Schmerz; / meine Mädchen und Jünglinge / sie zogen gefangen.
20397#Klagelieder,1,19#19. Ich rief meinen Liebsten / sie trogen mich. / Meine Priester und Greise / in der Stadt hinstarben / da sie Speise sich suchten / die Seele zu halten.
20398#Klagelieder,1,20#20. Sieh, Ewger, wie mir angst ist / mein Innres siedet / mein Herz, es wendet sich in mir / weil ich trotzig gewesen. / Würgt draußen das Schwert / und drin ists wie Sterben.
20399#Klagelieder,1,21#21. Sie hörten, daß ich ächze / hab keinen Tröster / all meine Feinde hörten mein Unglück / frohlocken, daß du es gewirkt. / Bringst du den Tag, den du ausriefst / sind sie wie ich.
20400#Klagelieder,1,22#22. Es komme all ihr Arg vor dich / daß ihnen du tust / wie mir du getan / ob all meiner Frevel! / Denn viel ist mein Ächzen / und wund mein Herz.»
20401#Klagelieder,2,1#1. «Wie umdüstert im Zorn / der Herr die Tochter Zijons! / Er warf vom Himmel zur Erde / die Pracht Jisraëls / gedachte nicht des Schemels seiner Füße / am Tag seines Zorns.
20402#Klagelieder,2,2#2. Vernichtet ohn Erbarmen hat der Herr / alle Fluren Jaakobs / zerstört in seinem Grimm / die Vesten der Tochter Jehudas / zuboden gebracht und geschändet / Königtum und Obre.
20403#Klagelieder,2,3#3. Er hieb ab in seines Zornes Glut / alles Horn Jisraëls / zog zurück seine Rechte / vor dem Feind / und loht' in Jaakob wie Flammenbrand / der ringsum fraß.
20404#Klagelieder,2,4#4. Den Bogen spannt' er wie ein Feind / den Schwertgriff seine Rechte wie ein Dränger / und würgte aller Augen Lieblinge; / im Zelt der Tochter Zijons / goß er wie Feuer seinen Grimm.
20405#Klagelieder,2,5#5. Es ward der Herr zum Feind / zerstörte Jisraël / zerstörte all seine Paläste / vernichtete seine Vesten / er häufte bei der Tochter Jehudas / Weinen und Wehruf.
20406#Klagelieder,2,6#6. Entkleidet' wie den Garten ihn von Laub / zerstört' seinen Festort / vergessen macht' der Ewige in Zijon / Festtag und Sabbat / verwarf in seines Zornes Grimm / König und Priester.
20407#Klagelieder,2,7#7. Verschmäht hat der Herr seinen Altar / verworfen sein Heiligtum / in Feindeshand gegeben / die Mauern ihrer Paläste. / Auflärmten sie in des Ewigen Haus / wie festtags.
20408#Klagelieder,2,8#8. Gesonnen hat der Ewge, zu vernichten / die Mauer der Tochter Zijons / gespannt die Schnur, nicht wendend / seine Hand vom Verderben / verkümmert Wall und Mauer / mitsamt sie schmachten.
20409#Klagelieder,2,9#9. Im Boden eingesunken ihre Tore / vernichtet', zerschlug ihre Balken / ihr König, ihre Obern - bei den Völkern. / Da ist keine Weisung / auch die Begeisteten, sie fanden / keine Schau vom Ewgen.
20410#Klagelieder,2,10#10. Verstummt zuboden sitzen / die Greise der Tochter Zijons / sie taten Staub auf ihr Haupt / gürteten Sackzeug. / Zuboden senkten ihr Haupt / die Jungfraun Jeruschalaims.
20411#Klagelieder,2,11#11. Meine Augen vergehen in Tränen / mein Innres siedet / die Leber gießt sich mir zur Erde / beim Sturz der Tochter meines Volks / da Kindlein und Säuglinge schmachten / auf den Plätzen der Stadt.
20412#Klagelieder,2,12#12. Zu ihren Müttern sie sprachen: / ,Wo ist Korn und Wein?' / Da sie schmachten wie gemordet / auf den Plätzen der Stadt / da ihr Leben sich ausgoß / in den Schoß ihrer Mütter.
20413#Klagelieder,2,13#13. Was beriefe, was gliche ich dir / Tochter Jeruschalaims / was setzt ich gleich dir, dich zu trösten / Maid, Tochter Zijons? / Denn groß ist wie das Meer dein Riß / wer könnt dich heilen?
20414#Klagelieder,2,14#14. Deine Begeisteten schauten dir / Falsches und Spucketünchen / und deckten deine Schuld nicht auf / dir Umkehr zu kehren / sie schauten dir Sprüche / voll Falsch und Verführung.
20415#Klagelieder,2,15#15. Die Hände ballten ob dir / alle Wandrer der Straße / sie zischten, schüttelten das Haupt / ob der Tochter Jeruschalaims: / ,Ist das die Stadt, die man hieß / der Schönheit Vollendung / die Lust aller Erden?'
20416#Klagelieder,2,16#16. Den Mund rissen auf wider dich / all deine Feinde; / sie zischten, fletschten die Zähne / und sprachen: ,Wir tilgten! / Ha, das ist der Tag, den wir erhofft! / Erreicht ists, wir schauens!'
20417#Klagelieder,2,17#17. Vollbracht, was er sann, hat der Ewige / erfüllt sein Wort / das er entboten seit Urzeit. / Er hat zerstört ohn Erbarmen / erfreut ob dir den Feind / gehöht das Horn deiner Dränger.
20418#Klagelieder,2,18#18. Aufschrie ihr Herz zum Herrn! / O Mauer der Tochter Zijons / laß fließen gleich dem Bach die Tränen / bei Tag und Nacht! / Gönn nimmer dir Rast / nie ruhe dein Auge!
20419#Klagelieder,2,19#19. Auf! Jammre des Nachts / vornan bei den Wachen! / Schütt aus wie Wasser dein Herz / vor dem Antlitz des Herrn! / Heb zu ihm deine Hände / um deiner Kindlein Leben / die vor Hunger verschmachten / vornan auf allen Straßen.
20420#Klagelieder,2,20#20. Sieh, Ewiger, und schau / wem solches du getan: / Solln Fraun verzehren ihre Frucht / die Kindlein, gehegt / gemordet werden in dem Heiligtum des Herrn / Begeisteter und Priester?
20421#Klagelieder,2,21#21. Zur Erde lagen auf den Gassen / Knabe und Greis! / Meine Mädchen und Jünglinge / sie fielen durchs Schwert! / Du würgtest am Tag deines Zorns / hinschlachtend, ohne Schonen.
20422#Klagelieder,2,22#22. Du riefest wie zum Festtag / meine Schrecker ringsum. / Da gabs am Zornestag des Ewgen / nicht Flüchtling noch Restling! / Die ich gehegt und großgezogen / mein Feind hat sie vernichtet!»
20423#Klagelieder,3,1#1. «Ich bin der Mann, der Elends sich ersättigt / vom Stab seines Zorns. /
20424#Klagelieder,3,2#2. Mich trieb er, ließ mich gehn / im Dunkel, ohne Licht; /
20425#Klagelieder,3,3#3. auf mich nur kehrt er wieder / die Hand alletag.
20426#Klagelieder,3,4#4. Zerstört hat er mir Fleisch und Haut / zerschlagen mein Gebein; /
20427#Klagelieder,3,5#5. umbaut mich, rings umstellt / zu Haupt und zu Ferse; /
20428#Klagelieder,3,6#6. in Finsternis mich weilen lassen / wie Tote der Verborgenheit.
20429#Klagelieder,3,7#7. Umbaut mich, daß ich nicht fort kann / beschwert meine Ketten /
20430#Klagelieder,3,8#8. und schrei ich auch und flehe / verschlossen meinem Beten /
20431#Klagelieder,3,9#9. verbaut mit Quadern meine Wege / meine Pfade verkehrt.
20432#Klagelieder,3,10#10. Ein Bär, der lauert, ist er mir / ein Leu im Versteck. /
20433#Klagelieder,3,11#11. Meine Wege umdornt' er und zerriß mich / macht' mich erstarren. /
20434#Klagelieder,3,12#12. Er spannte seinen Bogen und stellt' mich / als Ziel dem Pfeil.
20435#Klagelieder,3,13#13. Er jagte mir in die Nieren / seines Köchers Kinder. /
20436#Klagelieder,3,14#14. Zum Hohn bin allem Volk ich worden / ihr Spottlied allezeit. /
20437#Klagelieder,3,15#15. Er sättigte mich mit Bitternissen / tränkt' mich mit Fluchtrank.
20438#Klagelieder,3,16#16. Macht' ausbeißen, leergeputzt, meine Zähne / trat mich in Asche; /
20439#Klagelieder,3,17#17. dem Heil entsagte meine Seele / hab vergessen des Glücks. /
20440#Klagelieder,3,18#18. Ich sagte: ,Hin ist mein Hoffen / und mein Erharrtes von dem Ewigen.'
20441#Klagelieder,3,19#19. Gedenk mein Elend, meine Qual / Fluchkraut und Gift! /
20442#Klagelieder,3,20#20. Des denket und sinkt / an mir meine Seele. /
20443#Klagelieder,3,21#21. Dies kehr ich mir zu Herzen / drum kann ich hoffen:
20444#Klagelieder,3,22#22. Des Ewigen Liebe, daß sie nicht dahin / daß nicht zuende sein Erbarmen /
20445#Klagelieder,3,23#23. erneut mit jedem Morgen / groß deine Treue! /
20446#Klagelieder,3,24#24. ,Mein Anteil ist der Ewge' / spricht meine Seele / ,drum harr ich sein.'
20447#Klagelieder,3,25#25. Des Ewgen Glück ist deren, die sein Harren / der Seele, die ihn sucht /
20448#Klagelieder,3,26#26. Glück, daß man stille harre / der Hilfe des Ewgen /
20449#Klagelieder,3,27#27. Glück für den Mann, da er getragen / ein Joch in seiner Jugend:
20450#Klagelieder,3,28#28. Er sitzt einsam und schweigt / da er es ihm auflegt /
20451#Klagelieder,3,29#29. er tut in den Staub den Mund / vielleicht ist Hoffnung. /
20452#Klagelieder,3,30#30. Er bietet dem Schläger die Wange / ersattet der Schmach.
20453#Klagelieder,3,31#31. Denn nicht verwirft / auf immer der Herr. /
20454#Klagelieder,3,32#32. Denn kränkt er, erbarmt es ihn / weil reich seine Liebe. /
20455#Klagelieder,3,33#33. Ja, nicht aus seinem Herzen quält er / und kränkt die Menschenkinder.
20456#Klagelieder,3,34#34. Daß unter seinen Füßen man zermalmt / all des Landes Gefangne /
20457#Klagelieder,3,35#35. daß Mannes Recht man beugt / kommt vor des Höchsten Antlitz; /
20458#Klagelieder,3,36#36. daß Menschen man im Rechtsstreit krümmt - / der Herr, sieht ers nicht?
20459#Klagelieder,3,37#37. Wer ist, der sprach, daß es so ward / wo der Herr nicht geboten? /
20460#Klagelieder,3,38#38. Kommt aus des Höchsten Mund nicht / das Böse und Gute? /
20461#Klagelieder,3,39#39. Worüber klagt der Mensch, der lebt / der Mann mit seinen Sünden?
20462#Klagelieder,3,40#40. Laßt unsern Wandel prüfen und ergründen / und zu dem Ewgen wiederkehren! /
20463#Klagelieder,3,41#41. Laßt mit den Händen uns das Herz erheben / zu Gott im Himmel: /
20464#Klagelieder,3,42#42. Wir frevelten und trotzten / du hast nicht verziehn.
20465#Klagelieder,3,43#43. In Zorn verhüllt, hast du uns nachgesetzt / erschlagen ohn Erbarmen. /
20466#Klagelieder,3,44#44. Hast in die Wolke dich verhüllt / daß kein Gebet hindurchdrang. /
20467#Klagelieder,3,45#45. Zum Kehricht und zum Abscheu uns gemacht / inmitten der Völker.
20468#Klagelieder,3,46#46. Den Mund rissen auf wider uns / all unsere Feinde. /
20469#Klagelieder,3,47#47. Da ward uns Graun und Grube / Verstörung und Sturz. /
20470#Klagelieder,3,48#48. In Bächen Wassers strömt mein Auge / beim Sturz der Tochter meines Volkes.
20471#Klagelieder,3,49#49. Mein Auge rinnt und ruht nicht / sich nie erschöpfend /
20472#Klagelieder,3,50#50. bis niederschaut und sieht / der Ewige vom Himmel. /
20473#Klagelieder,3,51#51. Mein Aug tats an meiner Seele / ob aller Töchter meiner Stadt.
20474#Klagelieder,3,52#52. Sie fingen mich wie einen Vogel / die grundlos mir feind /
20475#Klagelieder,3,53#53. sie tilgten in der Grube mein Leben / und warfen Steine auf mich /
20476#Klagelieder,3,54#54. es strömten Wasser um mein Haupt / ich dachte: Ich vergehe.
20477#Klagelieder,3,55#55. Da rief ich deinen Namen, Ewiger / aus der Grube tiefunten /
20478#Klagelieder,3,56#56. du hörtest meinen Ruf: ,Verschließ dein Ohr nicht / zu helfen meinem Schrei!' /
20479#Klagelieder,3,57#57. Nah warst du an dem Tag, da ich dich rief / sprachst: ,Fürchte nicht!'
20480#Klagelieder,3,58#58. Du strittest, Herr, mir meiner Seele Streite / erlöstest mein Leben. /
20481#Klagelieder,3,59#59. Du sahst, o Ewger, meine Unbill / o, richte mir Recht! /
20482#Klagelieder,3,60#60. Du sahst all ihre Rachgier / allwas sie trachten wider mich!
20483#Klagelieder,3,61#61. Du hörtest, Ewiger, ihr Schmähen / allwas sie trachten gegen mich /
20484#Klagelieder,3,62#62. was meiner Gegner Lippen raunen / wider mich allezeit! /
20485#Klagelieder,3,63#63. Ihr sitzen und ihr Stehen, schau es / ich bin ihr Spottlied.
20486#Klagelieder,3,64#64. Zahl ihnen Lohn, o Ewger / nach dem Tun ihrer Hände! /
20487#Klagelieder,3,65#65. Gib, daß umsonst ihr Sinnen! / Dein Fluch für sie! /
20488#Klagelieder,3,66#66. Jag nach im Grimm und tilge sie / unter des Ewigen Himmel!»
20489#Klagelieder,4,1#1. «Wie ist verdunkelt das Gold / entstellt das edle Metall / verschüttet die heiligen Steine / vornan auf allen Straßen!
20490#Klagelieder,4,2#2. Die Kinder Zijons, die Edlen / denen Feingold gleich Schlacken - / wie achtet man sie gleich des Tones Scherben / die Töpferhand fertigt.
20491#Klagelieder,4,3#3. Schakale selbst reichen die Brust / und säugen ihre Jungen; / meines Volkes Tochter bei Grausamen / wie Jeënäer in der Wüste.
20492#Klagelieder,4,4#4. Dem Säugling klebte die Zunge / verdurstend am Gaumen; / es bettelten Kindlein um Brot / reichts ihnen keiner!
20493#Klagelieder,4,5#5. Die Leckereien gespeiset / verstarrn auf den Straßen; / die man auf Purpur gewartet / umfangen den Dung.
20494#Klagelieder,4,6#6. War größer meines Volkes Sünde / als die Schuld Sedoms / das wie im Nu zerstört ward / da Hände nicht dran rührten.
20495#Klagelieder,4,7#7. Noch reiner als Schnee ihre Geweihten / noch weißer als Milch / vor Schmuckstein rosig ihr Leib / Saphir drein geschnitten -
20496#Klagelieder,4,8#8. Ihr Ansehn ward finstrer als Schwärze / unkenntlich auf den Straßen / verrunzelt am Knochen ihre Haut / erdorret wie Holz.
20497#Klagelieder,4,9#9. War besser dran, wer durch das Schwert fiel / als die der Hunger gefällt / die sich verblutet, durchbohrt / als ob der Frucht auf dem Feld.
20498#Klagelieder,4,10#10. Mildherziger Frauen Hände / sie kochten ihre Kinder / zur Nahrung warden sie ihnen / beim Sturz meines Volkes.
20499#Klagelieder,4,11#11. Erschöpft hat der Ewge seinen Grimm / ergossen die Zornglut / und Brand in Zijon entzündet / der fraß dessen Grundbau.
20500#Klagelieder,4,12#12. Nicht glaubten die Könige der Erde / alle Wohner des Festlands / daß Feind und Dränger je kämen / in die Tore Jeruschalaims.
20501#Klagelieder,4,13#13. Ob ihrer Begeisteten Vergehen / der Priester Verbrechen / die in ihr vergossen / das Blut der Gerechten.
20502#Klagelieder,4,14#14. Blind taumelten sie durch die Straßen / mit Blut besudelt / daß man nimmer konnt rühren / an ihre Gewänder.
20503#Klagelieder,4,15#15. ,Fort! Unrein!' riefen sie / ,Fort! Fort! Nicht berühren!' / Ja flüchteten, flohen. / Man rief bei den Völkern: / ,Nicht solln sie mehr weilen.
20504#Klagelieder,4,16#16. Vor sich hat sie der Ewige geschieden / schaut nimmer auf sie.' / So nahm man nicht Rücksicht auf Priester / schont nicht der Greise.
20505#Klagelieder,4,17#17. Noch schmachteten uns die Augen / nach richtiger Hilfe / auf unsrer Warte spähend / nach dem Volk - das nicht rettet.
20506#Klagelieder,4,18#18. Sie hinderten unsere Schritte / zu gehn auf unseren Plätzen / nah unser Ende, voll unsre Tage; / da kam unser Ende.
20507#Klagelieder,4,19#19. Schnell waren unsre Verfolger / vor den Adlern des Himmels / auf den Bergen hetzten sie uns / in der Wüste lauerten sie unser.
20508#Klagelieder,4,20#20. Der Odem unsres Antlitzes, des Ewgen Gesalbter / fing sich in ihren Gruben / in dessen Schatten wir gedacht / zu leben unter den Völkern.
20509#Klagelieder,4,21#21. Frohlocke und juble, Maid Edoms / die wohnt im Lande Uz! / An dich auch kommt der Kelch / wirst trunken und dich entblößen.
20510#Klagelieder,4,22#22. Getilgt ist, Maid Zijons, deine Schuld / nie mehr treibt er dich fort. / Gedacht hat deiner Schuld er, Maid Edoms / enthüllt deine Sünden.»
20511#Klagelieder,5,1#1. «Denk, Ewiger, was uns geschehen / schau her und sieh unsre Schmach! /
20512#Klagelieder,5,2#2. An andre fiel unser Erbe / an Fremde unsre Häuser. /
20513#Klagelieder,5,3#3. Wir warden Waisen, ohne Vater / gleich Witwen unsre Mütter. /
20514#Klagelieder,5,4#4. Unser Wasser, wir trankens für Geld / für Entgelt kam uns unser Holz. /
20515#Klagelieder,5,5#5. Am Nacken verfolgte man uns / ermattet, ward uns nicht Ruh. /
20516#Klagelieder,5,6#6. Mizraim reichten wir die Hand / Aschschur - um Brotes zu ersatten. /
20517#Klagelieder,5,7#7. Unsre Väter, die verfehlt, sind nicht mehr / wir aber trugen ihre Schuld. /
20518#Klagelieder,5,8#8. Es herrschten Knechte über uns / und niemand entriß ihrer Hand. /
20519#Klagelieder,5,9#9. Ums Leben holten wir Brot uns / vor dem Schwert der Wüste /
20520#Klagelieder,5,10#10. unsre Haut, sie brannte wie ein Ofen / vor Fieber des Hungers. /
20521#Klagelieder,5,11#11. Fraun hat man geschändet in Zijon / Jungmädchen in Jehudas Städten. /
20522#Klagelieder,5,12#12. Erhängt von ihnen wurden Obre / die Greise nicht verschont; /
20523#Klagelieder,5,13#13. den Mühlstein schleppten Jünglinge / hinstürzten von der Holzlast Knaben. /
20524#Klagelieder,5,14#14. Die Alten schwanden von den Toren / die Jünglinge vom Saitenspiel. /
20525#Klagelieder,5,15#15. Dahin ging unsres Herzens Fröhlichkeit / in Trauer wandelt uns sich die Schalmei. /
20526#Klagelieder,5,16#16. Es fiel unsres Hauptes Krone / weh uns, daß wir gesündigt! /
20527#Klagelieder,5,17#17. Darob war siech unser Herz / darum verdunkelt unsre Augen: /
20528#Klagelieder,5,18#18. des Zijonsberges wegen, der verwüstet / Schakale drauf streifen. /
20529#Klagelieder,5,19#19. Du, Ewiger, du bleibst für immer / dein Thron für Zeit um Zeiten. /
20530#Klagelieder,5,20#20. Warum willst du für immer uns vergessen / verlassen uns für lange Zeit? /
20531#Klagelieder,5,21#21. Führ, Ewger, uns zurück zu dir, daß wir heimkehren / erneure unsere Tage wie voreinst! /
20532#Klagelieder,5,22#22. Hast du doch uns verworfen / gezürnt uns ohne Maßen!»